Gewohnheitsrecht?

Juli 6, 2020 4:14

Das Gewohnheitsrecht ist ungeschriebenes Recht, das nicht durch Gesetzgebung zustande kommt, sondern auf lange andauernder Anwendung von Rechtsvorstellungen und Regeln beruht, die die Beteiligten im Rechtsverkehr als verbindlich akzeptieren. (Quelle Wikipedia)

Wenn also etwas schon immer so war und aus der Überzeugung heraus, dass es rechtens ist genutzt wurde, spricht man gern von einem Gewohnheitsrecht. Eine Erklärung im eigentlichen Sinn gibt es aber gar nicht, da es ein ungeschriebenes Recht ist. Es handelt sich also um Verhaltensweisen oder Nutzungen, die nicht vertraglich vereinbart oder vom Gesetzgeber geregelt wurden. Da in unserem Rechtsstaat sehr viele Dinge bis ins Detail gesetzlich geordnet sind, gibt es jedoch nur wenig Rechte aus denen Ansprüche mit der Begründung „Gewohnheitsrecht“ geltend gemacht werden können. Eine Gewohnheit verliert seinen Anspruch sobald geschriebenes Recht oder richterliches Recht vorliegt.

So könnte man denken, dass ein Weg über ein Privatgrundstück, der „schon immer“ benutzt werden durfte nicht einfach durch einen Zaun versperrt werden darf. Jedoch hat jeder Eigentümer das Recht z.B. einen Zaun um sein Grundstück zu ziehen oder das Betreten zu untersagen. Der BGH räumt in einem Urteil vom Januar 2020 mit einer weit verbreiteten Vorstellung in der Bevölkerung auf, dass etwa auch dann, wenn der für ein so genanntes Wegerecht zwingende Eintrag ins Grundbuch fehlt, die gewohnte Nutzung zum Recht wird.

Die Gewohnheit einen Weg zu nutzen wird demnach kein dauerhaftes Recht. Dass viele Menschen glauben, man könne sich innerhalb von 30 Jahren ein Wegerecht so quasi „erlaufen“, hat wohl mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zu tun. Dies enthielt tatsächlich so eine Regelung. Doch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) hat laut BGH schon vor ca. 120 Jahren damit Schluss gemacht.

Verläuft z.B. eine Abwasserleitung des Nachbarn ohne eingetragenes Leitungsrecht über das eigene Grundstück, muss dies nicht geduldet werden. Es kann verlangt werden, eine Alternative zu suchen oder, wenn dies nicht möglich ist, zumindest eine Entschädigung zu zahlen. Und auch im Mietrecht gilt, dass eine vertraglich nicht vereinbarte Nutzung von z.B. Keller- oder Abstellräumen zwar erfolgen kann, jedoch durch die Gewohnheit der Nutzung nicht zum Recht wird.

Aber wann gilt nun ein Gewohnheitsrecht? Da gibt es z.B. Regelungen im Arbeitsrecht. Zahlt ein Arbeitgeber regelmäßig Weihnachts- oder Urlaubsgeld, dann entsteht nach mindestens 3 Jahren ein Anspruch auf diese Zahlungen. Für den Fall, dass es kein Recht oder Gesetz für eine Gewohnheit gibt, kann dies bei Uneinigkeit durch eine individuelle Rechtsprechung bzw. Auslegung bereits erfolgter Rechtsprechungen zu dem Thema geregelt werden.