Mieten oder kaufen?

Dezember 6, 2012 7:36


Ihre Anstellung ist gesichert, und Sie sind bereit für den nächsten Schritt, die eigenen vier Wände? Staatshilfen für Bau und Kauf von Immobilien sind derzeit mager. Doch sollten diese ohnehin nicht der entscheidende Faktor für die Entscheidung sein, ob Sie kaufen oder mieten. Da gibt es andere, bedeutsamere Gründe: Wohngefühl und künftige Wohnkosten. Doch immer wieder hört und liest man Argumente, die von Immobilienkauf abraten.

Was ist von Ihnen zu halten?

1. Eigentum ist spießig und bindet.
Wir sind im Reich des Geschmacks: Was ist eigentlich spießig? Da gab es die Bausparkassen-Reklame mit dem Kind in der Bauwagensiedlung, das seinen freakigen Papa mit den Worten schockte: "Wenn ich groß bin, will ich ein Spießer werden." Ist Eigentum spießig oder ist es die Angst davor? Ist es spießiger, Herr im eigenen Haus oder vom Vermieter abhängig zu sein? Schließlich Bindung: Welche ist auf Dauer größer – die einer eigenen Immobilie, die man auch vermieten oder verkaufen kann, oder eine lebenslange Mietzahlung?

2. Die Kreditrate ist meist höher als die Miete!
Mieter zahlen anfangs jeden Monat spürbar weniger als Eigentümer, die ein vergleichbares Haus oder eine Wohnung kaufen. Aber für beide ändern sich die Summen im Laufe der Zeit: Mieten können nach dem Gesetz alle drei Jahre um 20 Prozent steigen, je nach Vertrag alle fünf, zehn oder fünfzehn Jahre. Auf lange Sicht können die Mieten doppelt so hoch sein wie heute, während die Raten des bezahlten Hauses auf null sinken.

3. Mein Geld ist zu fest gebunden!
Spontane Ausgaben für den Traumurlaub oder ein besonderes Auto sind für frischgebackene Hauseigentümer tatsächlich meist nicht möglich. Und bei einem heißen Aktientipp wird auch  eher kein anlagebereites Geld auf dem Konto sein. Auf längere Sicht ist dies aber von Vorteil: Das verkonsumierte Geld ist mit Sicherheit weg, das riskant investierte vielleicht auch. Schon über solidere Geldanlagen sagt der Investoren-Volksmund: "Hin und her macht die Taschen leer." Umgekehrt gilt: Ist das Geld buchstäblich immobil, bleiben die Taschen voll.

4. Mieter können viel mehr sparen!
Es gibt viele Rechnungen, die die Vermögensentwicklung von Mietern und Hauseigentümern vergleichen. Jede hat ein anderes Ergebnis – und dieses hängt auffällig stark davon ab, wer die Kalkulation beauftragt hat: Waren es Vermieter- oder Mieterverbände, lohnt der Kauf eher nicht. Waren es Bausparkassen und Fertighausanbieter, dann rentiert sich der Hausbau immer. Das Fazit: Mit solchen Vergleichsrechnungen kann man alles beweisen. Oder, wie Winston Churchill sarkastisch meinte: „Ich glaube nur an die Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.“

Fälschen tut hier keiner. Aber es geht immer um Prognosen, und da schraubt jeder an den Zahlen, wie es ihm genehm ist: Bei den Mietfreunden bleiben Mieten und Immobilienwerte niedrig, dagegen sind die Kreditzinsen eher hoch. Bei den Förderern des Wohneigentums ist es umgekehrt. Doch in der Realität haben meist beide Seiten Unrecht. Denn beide unterstellen, dass sich Mieter und Eigentümer gleich verhalten. Sie nehmen an, dass Mieter Ihre Einsparungen konsequent sparen. Nach aller Lebenserfahrung stimmt das aber nicht: Das beim Wohnen Ersparte wird eher ausgegeben als beiseitegelegt. Zudem ist Geldvermögen stärker von Kurseinbrüchen und Schuldnerpleiten bedroht als Immobilienvermögen, wie die jüngste Finanzkrise deutlich gezeigt hat.

In Wirklichkeit zahlen Eigentümer jahrzehntelang ihren Kredit ab und habe es irgendwann geschafft. Dann steht plötzlich jeden Monat eine beträchtliche Geldsumme zusätzlich zur Verfügung. Von diesem Geld geben Eigentümer aller Erfahrung nach nur einen Teil aus; den anderen sparen sie. Damit erklärt sich, dass Immobilieneigentümer nach einschlägigen Vergleichsstudien mit etwa 60 Jahren nicht nur ein Immobilienvermögen haben, das Mieter nicht besitzen, sondern dass auf ihrem Konto darüber hinaus im Durchschnitt auch noch zigtausende Euro mehr liegen als auf dem von Mietern, die gleich viel verdienten.

5. Die Deutschen sterben aus, dann gibt es viel zu viele Wohnungen und Häuser
Aussterben tun wir nicht, aber wir werden langsam weniger. Zugleich werden die einzelnen Haushalte aber immer kleiner. Allerdings konsumieren wir immer mehr Wohnfläche. Nach dem Krieg verfügte jeder Westdeutsche im Schnitt über karge 12 Quadratmeter, nach dem ersten Aufbauboom über 25 – und heute hat jeder 40 Quadratmeter. Und der Wunsch nach mehr Fläche hält an. Wenn der Anteil der „ Alten“  immer größer wird, werden die „Jungen“ die anfallende Arbeit nicht mehr schaffen. Neue Menschen braucht das Land, und die benötigen Häuser und Wohnungen. Davon entstehen zu wenige: Der Neubau entspricht nicht einmal einem halben Prozent der schon vorhandenen Wohnungen. Zugleich gilt die Faustregel: Jedes Jahr verschwindet still und leise etwa ein Prozent der Wohnungen vom Markt. Meist nicht durch spektakuläre Abrisse, sondern indem kleinere Wohnungen zusammengelegt, schlechte nicht mehr vermietet, andere in Büros verwandelt oder zu Zweitwohnung gemacht und dann nur noch gelegentlich genutzt werden. Mehr Haushalte, zugleich weniger Wohnungen: So entsteht Mangel.

6. Viel zu ungewisse Zeiten!
Irgendwelche Ungewissheiten gibt es immer. Aber wenn nicht gerade der eigene Job auf der Kippe steht, spricht oft gerade diese Unsicherheit fürs Bauen und Kaufen. Denn in wirtschaftlichen Wackelphasen sind die Preise + Zinsen eher niedrig. Sie rutschten in der Wirtschaftskrise 2008 so tief wie nie seit Kaiser Wilhelms Zeiten. Und bei aller Ungewissheit sind in den kommenden Jahren zwei Entwicklungen denkbar. Entweder schwaches Wachstum auf längere Zeit oder ein Boom mit verschärfter Inflation. Erholt sich die Wirtschaft kaum und bleiben die Zinsen niedrig, dann ist eigenes Geld in der Immobilie gut angelegt und jenes der Bank kostet wenig Zinsen. Oder es kommen steigende Preise, Mieten und Zinsen. Dann ist es gut, vorher gekauft zu haben: Man kann dem Klettern der Mieten entspannt zugucken und dem der Hauspreise sogar erfreut, denn damit steigt der Wert des selbst bewohnten Vermögens.

7. Heute weiß niemand mehr sicher wo er in zehn Jahren leben und arbeiten wird!
Ein in näherer Zukunft möglicher Umbruch im Leben ist ein starkes Argument, Mieter zu bleiben – etwa ein Umzug, drohender Jobverlust oder unklare Perspektiven im Familienleben. Doch schon bei einem Zeithorizont von zehn Jahren kann sich der Kauf eines Hauses lohnen. Wird irgendwann doch ein Umzug nötig, ist ein Teil des Kredits abbezahlt und von einem gut gewählten Haus auch der Preis gestiegen. Dann bleibt selbst nach Abzahlen der restlichen Schulden eine hübsche Summe übrig, die den Neuanfang versüßt.

Fazit: Langfristig Planer kaufen – Spontane mieten!
Die Antwort auf die Frage "Mieten oder kaufen?" hängt vor allem vom Zeithorizont ab. Wer in seinem Leben auf ganz kurze Sicht planen will oder muss, ist als Mieter besser dran. Wer aber längere Zeitperspektiven hat, steht als Eigentümer in der Regel finanziell und Zukunft sichernd  besser da. Was den Ausschlag gibt, hängt von den persönlichen Vorlieben ab: Wer sein Glück vor allem im Hier und Jetzt sucht und mehr Spontaneität will, bleibt besser Mieter. Wer dagegen auf längere Sicht eine Grundlage für sein Glück und seine Unabhängigkeit schaffen will, der baut oder kauft.